Weiterentwicklung der variablen sonderpädagogischen Unterrichtsplanung

von Alexander Lang

Einige Blogeinträge auf dasistes.info kommentieren oder ergänzen den Artikel "Variable sonderpädagogische Unterrichtsplanung – neue Impulse der sonderpädagogischen Unterrichtsplanung in der Fachrichtung Emotionale und soziale Entwicklung" von Georg Walbert und mir in der Zeitschrift für Heilpädagogik, 2021. Hiermit möchte ich allen mit dieser Thematik assoziierten Blogeinträgen diese Ergänzung zukommen lassen, die entsprechenden Blogeinträge sind unten verlinkt.


Warum ist eine Weiterentwicklung nötig geworden?
Die vergangenen Jahre stellten und stellen auch zukünftig das sonderpädagogische Lehramt und seine aufgefächerten Fachrichtungen vor große Herausforderungen, um sowohl mit gesellschaftlichen als auch inklusiven Veränderungen im Schulsystem Schritt zu halten. Für die sonderpädagogische Fachrichtung ES hat Reiser eine, wie ich finde, wegweisende Zusammenfassung der umwälzenden Veränderung durch veränderte Arbeitsrealitäten für sonderpädagogische Lehrkräfte verfasst (Quelle hier).

Ein in der Zeitschrift für Heilpädagogik geführter Diskurs in Form einer losen Artikelabfolge (Artikel Ilm et al., 2018, Lang und Walbert 2021, Tamm et al. 2019 und Leidig et al. 2020) über die Möglichkeiten sonderpädagogischer Unterrichtsplanung zeigte mögliche fachliche Verortungen und Argumente denkbare Veränderungen, bzw. Erweiterungen des Etablierten  in Bezug auf sonderpädagogische Unterrichtsplanung auf.

NRW greift den zunächst fachwissenschaftlichen Diskurs zeitgleich auf und formulierte zunächst 2018 (Quelle hier) und aktuell in „Weiterentwicklung der Lehrerausbildung im Lehramt für sonderpädagogische Förderung, Positionen 2021“ und entwickelt transparente Vorgaben, wie sonderpädagogische Lehrkräfte in NRW zukünftig noch einheitlicher und qualitativ gleichwertig ausgebildet werden.

Beide Veröffentlichungen seitens des Landes NRW geben ein hohes Maß an Klarheit sowohl im Sprachgebrauch als auch hinsichtlich der fachlichen Verortung sonderpädagogischen Unterrichts vor - insbesondere der Leitgedanke, dass sonderpädagogische Lehrkräfte „Lehrerinnen und Lehrer für alle Schülerinnen und Schüler“ sind (ebd., S. 8) unterstreicht im Bereich inklusiven Lernens von SuS mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf eine gemeinsame Zuständigkeit und Verantwortung für gelingende Bildungs- und Erziehungsprozesse von Lehrkräften des sonderpädagogischen und der allgemeinen Lehrämtern (im SJ 2019/2020 gab es in NRW 34.932 Schüler*innenmit ES“, davon werden 20.455 im Gemeinsamen Lernen in der Inklusion in NRW beschult, d. h. mehr als 50% aller SuS „mit ES“ besuchen eine Schule des Gemeinsamen Lernens und keine Förderschule, Quelle). Diese nachhaltig andauernden Entwicklungen müssen meiner Meinung nach sowohl in der Lehrkräfteausbildung als auch in der theoretischen Weiterentwicklung des sonderpädagogischen Förderschwerpunktes Emotionale und soziale Entwicklung aufgegriffen werden und zwangsläufig in Veränderungen münden.

Folgende Auszüge (Quelle, S. 10) seien an dieser Stelle angeführt, um sie in der nachfolgende Übersicht „Varianten variabler sonderpädagogischer Unterrichtsplanung“ (aus dem gleichnamigen Artikel Lang und Walberts, 2021 und den hiermit assoziierten Blogeinträgen auf www.dasistes.info) zu integrieren:

„Lehramtsanwärterinnen und Lehramtsanwärter im Lehramt für sonderpädagogische Förderung lernen, dass und wie sonderpädagogische Förderung im Unterrichtsfach wirksam wird.“

„Jeglicher Fachunterricht liegt im Schnittpunkt unterrichtsfachlicher und entwicklungszielorientierter Intentionen.“

„Im Unterrichtsfach stehen fachliche Ziele im Mittelpunkt, die nach der Analyse der konkreten Lernausgangslage formuliert werden. Die unterrichtsfachlichen Ziele sind vor dem Hintergrund der sonderpädagogischen Unterstützungsbedarfe und Lernvoraussetzungen zu durchdringen und hierzu sind passende Unterstützungsmaßnahmen abzuleiten.“

„Lehramtsanwärterinnen und Lehramtsanwärter entwickeln ein professionelles Selbstverständnis, sonderpädagogische Förderung über einen förderplanbasierten Unterricht zu initiieren und wirksam werden zu lassen.“

„Ziel von Unterricht für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf sind der Kompetenzerwerb im Unterrichtsfach und die individuelle Entwicklung im Förderschwerpunkt; die individuelle unterrichtliche Unterstützung zur Sicherung lernwirksamer Prozesse richtet sich am festgestellten Förderschwerpunkt aus.“

„Sonderpädagogische Unterstützung verwirklicht sich im Unterricht und sichert den Kompetenzerwerb im Unterrichtsfach; sonderpädagogische Förderung umfasst alle schulischen Bildungs- und Erziehungsbereiche.“

Folgende tabellarischen Übersichten ergänzen den o. g. Ursprungsartikel:


Die von Lang und Walbert (2021) formulierte Forderung des bewussten und begründeten Einsetzens von Variabilität in der Gewichtung von Fach- und Entwicklungszielinhalten findet sich in den Positionen 2021 begrüßenswerter Weise auch (unter „Ein kurzer Blick zurück“, Eckpunktepapier 2019, Beschuss der Landesdezernentenkonferenz):

„In den schriftlichen Unterrichtsplanungen anlässlich der Unterrichtsbesuche und in den schriftlichen Arbeiten der Unterrichtspraktischen Prüfung sind grundsätzlich unterrichtsfachliche und entwicklungsbezogene Zielableitungen auf Grundlage des Förderplans nachzuweisen. Für die Unterrichtsplanung und -durchführung kann dies bedeuten, dass der Ausprägungsgrad beider Zielperspektiven in den einzelnen Unterrichtsstunden variiert“ (Hervorhebung d. d. V.).

Die Überarbeitungen der skizzierten Varianten einer variablen sonderpädagogischen Unterrichtsplanung in Tabellenform beziehen sich im Sinne der Vereinheitlichung des sonderpädagogisch-fachlichen Sprachgebrauchs in NRW-Lehrkräfteausbildung vor allem auf den Wegfall der vormaligen Zielebene „individualisierte fachliche Förderziele“ des Ursprungsartikels. Den vereinheitlichten Sprachgebrauch aufgreifend werden nun (weiterhin) im Sinne Rodlers, nun in kommentierender Form, die Zielformulierungen um sonderpädagogische/fachliche Unterstützungsangebote ergänzt. Im Ursprungsartikel Lang und Walberts wird wie folgt formuliert: „Rödler spricht in diesem Zusammenhang von der Erweiterung fachlicher Didaktiken um eine zweite Dimension (neben der Sachlogik des Unterrichtsfachs). Diese zweite Dimension beschreibt er als die Dimension der individuellen Aneignungshöhe von Schülerinnen und Schülern, welche die Aspekte der Zugänglichkeit (Sinn/Bedeutung) beinhaltet (Rödler, 2018, vgl. S. 81 f.). Gefordert wird also weiterhin für sonderpädagogischen Unterricht die maximal mögliche Passung von Unterrichtsinhalten und individuellen Lernvoraussetzungen von SuS.

Diese kurze Kommentierung erweitert/aktualisiert folgende Blogeinträge zur Artikelserie „Variable sonderpädagogische Unterrichtsplanung“

https://www.dasistes.info/news/Uplanung1.html

https://www.dasistes.info/news/variable-sonderpaedagogische-unterrichtsplanungen-ii.html

https://www.dasistes.info/news/uplanung3.html

https://www.dasistes.info/news/FoerderzielalsFachziel.html

https://www.dasistes.info/news/methodischeImmanenz.html

 

Literaturnachweis

Ilm, K. Rolf, F. & Schick, H. 2018. Primat der Fachlichkeit - Thesen und Argumente für ein neues Förderverständnis in der Sonderpädagogik, Zeitschrift für Heilpädagogik , S. 69, 541-552.

Lang, A. und Walbert, G. (2021): Variable sonderpädagogische Unterrichtsplanung – neue Impulse der sonderpädagogischen Unterrichtsplanung in der Fachrichtung Emotionale und soziale Entwicklung. In: Zeitschrift für Heilpädagogik, Ausgabe 1, 2021, S. 23-33

Leidig, T., Hennemann, T., & Hillenbrand, C. (2020). Integration sozial-emotionalen Lernens im (Fach-) Unterricht. Zeitschrift für Heilpädagogik, 71, 148-159.

Reiser, H. (2018). Arbeitsplatzbeschreibungen - Veränderungen der sonderpädagogischen Berufsrolle Müller, Frank J. (Hrsg.): Blick zurück nach vorn - WegbereiterInnen der Inklusion. Band 1. Originalausgabe. 97-114. Gießen. Verfügbar unter https://www.pedocs.de/volltexte/2018/15817/pdf/ Reiser_2018_Arbeitsplatzbeschreibungen_Veraenderungen.pdf, [30.11.2021]

Rödler, P. (2018). Gemeinsamer Unterricht fachdidaktisch und fachwissenschaftlich gedacht. In: Langner, A. Inklusion im Dialog: Fachdidaktik – Erziehungswissenschaft – Sonderpädagogik. Perspektiven sonderpädagogischer Forschung, 76-93. Bad Heilbrunn: Klinkhardt.

Stein, R. & Stein, A. (2014). Unterricht bei Verhaltensstörungen, Stuttgart: Klinkhardt UTB.

Thamm, J., Albers, S., Flott-Tönjes, U., Ludwig, M., Stock-Kemming, B. & Witt, H. (2019). Duale Planungskompetenz versus Primat der Fachlichkeit - Reduktion auf einen „fachlichen Unterstützungsbedarf“?. Zeitschrift für Heilpädagogik, 70, S. 193-204.

 

Hinweis zur Nutzung des Artikels

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