Variable sonderpädagogische Unterrichtsplanungen II - Fachliche Akzentuierung

von Alexander Lang

... Aktualisierungen zum Ursprungsartikel in der Zeitschrift für Heilpädagogik finden sich hier.

Gesellschaftslehre (Geschichte/Politik/Erdkunde), Sek I, Umsetzung einer Akzentuierung von Fachlichkeit im Kontext Förderschule ES

Dieser Blogeintrag kann nur durch die Unterstützung meines geschätzten Jungkollegens Dennis Dudde entstehen. Er stellte mir alle erforderlichen Unterlagen zur Veröffentlichung an dieser Stelle bereit, die im Zuge seines Vorbereitungsdienstes (2019) erstellt wurden. Im Kontext dieses Blogs sollen keine als vorbildlich erachteten Planungsausschnitte veröffentlicht werden, ebenso wird nicht angestrebt, Vorlagen für weitere schriftliche Planungen im Kontext Vorbereitungsdienst/Referendariat, zu geben. Vielmehr wird die gewählte Art und Weise gewählt, um kurze Sequenzen zu veröffentlichen, die verschiedene Varianten sonderpädagogischer Unterrichtsplanungen darstellen und zwischen den denkbaren Polen klassischer dualer sonderpädagogischer Unterrichtsplanung und einer fachlichen Akzentuiertheit verortet sind.

Die überfachlichen Förderziele werden nicht ausformuliert dargestellt. An dieser Stelle soll insbesondere auf die individualisierten fachlichen Förderziele, deren Ableitung und deren Bedeutung und Hilfestellung zur Planung und Durchführung von sonderpädagogischem Unterricht mit einem möglichst hohen Maß an Adaptivität fokussiert werden.

In diesem Fall wählte Kollege Dudde eine Anlehnung an die die Variante „Fachliche Immanenz“ der variablen sonderpädagogischen Unterrichtsplanung (Lang/Walbert 2021, S. 29) und stellte die klassische duale sonderpädagogische Unterrichtsplanung durch sonderpädagogische Förderung in den sogenannten Entwicklungsbereichen ein wenig in den Hintergrund, denn hier intendiert seine Planung lediglich kompensatorische Intentionen.

Es erfolgt in der Planung eine Fokussierung des fachdidaktisch relevanten Kompetenzbereichs Urteilskompetenz (siehe Kernlehrplan NRW) des Fachs Gesellschaftslehre, inhaltlich wird der Komplex Drogen thematisiert und sei wie folgt kurz skizziert:

„Gib mir Tilidin, ja, ich könnte was gebrauchen Wodka-E, um die Sorgen zu ersaufen Alles, was ich weiß: Liebe kann man sich nicht kaufen Und das Leben ist zu kurz, um nicht zu rauchen.“

(Capital Bra / Samra: Tilidin)

So und so ähnlich werben deutsche Rapper und andere einflussreiche Größen des öffentlichen Lebens für Drogen und erreichen damit vor allem eine jugendliche Klientel. Der Kleidungsstil, der wirtschaftliche Erfolg und vor allem die Grenzüberschreitung durch Drogenkonsum sind als omnipräsentes Gesprächsthema auf dem Schulhof zu beobachten. Bereits hier zeichnet sich eine maßgebliche Relevanz für die SchülerInnen ab, welche sich aus ihrer direkten Lebenswelt und ihrer intrinsischen Motivation des „Dazugehörens“ speist. Über die mediale thematische Konfrontation hinaus, befinden sich die SchülerInnen der 7. Klasse in einem Alter, in dem sie über erste Erfahrungen mit Alkohol und Zigaretten nachdenken und diese Gedanken offen kommunizieren. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit für Lehrkräfte, als Vertrauensperson und AnsprechpartnerIn der SchülerInnen sowohl den schulischen Erziehungsauftrag hin zu Mündigkeit und Autonomie (vgl. Stein & Stein, 2014, S. 82) wahrzunehmen als auch fundierte Informationen anzubieten, denn Schule ist eine Institution „in der alle Heranwachsenden einen Teil ihrer Lebenszeit verbringen [und bietet daher] spezifische Möglichkeiten zur Suchtprävention (MfSuB, 2019).

Der didaktische Zugang zur Entwicklung einer adäquaten Urteilskompetenz wird in Abbildung 1 dargestellt. Im Sinne eines möglichst hohen Maßes an Adaptivität dieses Unterrichtsgegenstandes durchdringt Dudde didaktisch zunächst sein Verständnis von Urteilskompetenz im Kontext des Themenkomplexes „Drogen“, um dann aus sonderpädagogischer Sicht individuelle Zielniveaus für einzelne Schüler abzuleiten.


Abbildung 1, Didaktische Durchdringung zur Urteilskompetenz

 

Dieses Vorgehen der Unterrichtsplanung stellt eine maximale Individualisierung der Lernangebote, eingebettet in einem sogenannten therapeutischen Milieu nach Stein (s. o.) dar. In den folgend dargestellten individuellen Lernvoraussetzungen in Abbildung 2 und Abbildung 3 wird Einblick in die subjektive und hypothetische (diagnostische) Einschätzung der individuellen Lernvoraussetzungen von zwei Schülern gegeben und auf Grundlage dieser individuellen Lernvoraussetzungen werden schließlich folgende Ziele formuliert:


Abbildung 2, Individuelle Lernvoraussetzungen Schüler 1 (S1)


Abbildung 3, Individuelle Lernvoraussetzungen Schüler 2 (S2)

 

Ziele der Reihe

Die Schüler erweitern und festigen ihre Urteilskompetenzen, indem sie

  • Informationen zu verschiedenen Facetten des Themenkomplexes Drogen kennen und interpretieren,
  • gewonnene Kenntnisse strukturieren und kategorisiert verfügbar machen,
  • verschiedene thematische Perspektiven in Beziehung setzen, einschätzen und bewerten,
  • ein eigenes Fazit erstellen und anhand eines schriftlichen Endproduktes darlegen

Fachziel

Die Schüler erweitern und festigen das thematische Gewichten und Abwägen, als Teilbereiche der Urteilskompetenz, indem sie über eine fundierte Sachkompetenz zum Thema Drogen verfügen und die erarbeiteten Themenaspekte kennen.

Individualisierte fachliche Förderziele

S1 abstrahiert die Bedeutung der Informationen für die Rezipienten adäquat (3. Gewichtungsprozess).

S2 wird die Flyer-Informationen korrekt hierarchisieren und darstellen, hierzu stehen ihm Karten mit themenbezogenen Leitfragen und Denkanstößen als Differenzierungsmaterial auf universeller Ebene zur Verfügung (1. und 2. Gewichtungsprozess).

Individualisierte fachübergreifende Förderziele

  • sonderpädagogische Förderung intendiert bei S1 rein kompensatorisch in den überfachlichen Bereichen Lern- und Arbeitsverhalten und dem Bereich der Perspektivübernahme. In diesen Bereichen identifizierte, bzw. vermutete individuelle Lernbarrieren sollen durch sonderpädagogische Maßnahmen möglichst keine Lern- oder Entwicklungshemmnisse zur Erreichung der Fachziele der Stunden darstellen
  • Gleiches gilt für S2 für den Bereich der sozialen Initiative.

 

Literatur, soweit nicht im Text als Link hinterlegt

Stein, R., & Stein, A. (2014). Unterricht bei Verhaltensstörungen (2. Aufl.). Bad Heilbrunn: Klinkhardt

Lang, A. und Walbert, G. (2021): Variable sonderpädagogische Unterrichtsplanung – neue Impulse der sonderpädagogischen Unterrichtsplanung in der Fachrichtung Emotionale und soziale Entwicklung. In: Zeitschrift für Heilpädagogik, Ausgabe 1, 2021, S. 23-33


Allgemeiner Hinweis zu den Auszügen aus Unterrichtsplanungen

Alle Auszüge aus den schriftlichen Planungen auf www.dasistes.info entstanden im Ausbildungskontext. Es werden einerseits nur in einen neuen Kontext gesetzte Auszüge aus Planungen veröffentlicht, wozu sie von mir teilweise ergänzt und angepasst wurden. Andererseits wurden sie absichtlich nicht aus meiner Rolle als Seminarausbilder heraus hinsichtlich ihrer fachlichen Qualität optimiert. Sie dienen lediglich im Zuge dieser Veröffentlichung als konkrete praktische Beispiele, wie variantenreich und variabel sonderpädagogische Unterrichtsplanungen verfasst werden können.

Hinweis zur Nutzung des Artikels

Dieser Text ist lizensiert unter einer Creative Commons Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen. Bei Nutzung, auch von Auszügen, ist eine Autorennennung mit Quellenangabe nötig. www.dasistes.info, Alexander Lang 2021

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