Variable sonderpädagogische Unterrichtsplanungen V - Fachliche Akzentuierung durch "methodische Immanenz"

von Alexander Lang

...Aktualisierungen zum Ursprungsartikel in der Zeitschrift für Heilpädagogik finden sich hier.

Deutsch, Sek I, Umsetzung einer fachlich akzentuierten Planung durch methodische Immanenz sonderpädagogischer Förderung im Kontext Förderschule ES

Dieser Blogeintrag kann nur durch die Unterstützung meiner geschätzten Jungkollegin Samira Latour entstehen. Sie stellte mir alle erforderlichen Unterlagen zur Veröffentlichung an dieser Stelle bereit, die im Zuge ihres Vorbereitungsdienstes (2019) erstellt wurden. Im Kontext dieses Blogs sollen keine als vorbildlich erachteten Planungsausschnitte veröffentlicht werden, ebenso wird nicht angestrebt, Vorlagen für weitere schriftliche Planungen im Kontext Vorbereitungsdienst/Referendariat zu geben. Vielmehr wird die gewählte Art und Weise gewählt, um kurze Sequenzen zu veröffentlichen, die verschiedene Varianten sonderpädagogischer Unterrichtsplanungen darstellen und zwischen den denkbaren Polen klassischer dualer sonderpädagogischer Unterrichtsplanung und einer fachlichen Akzentuiertheit verortet sind.

Die überfachlichen Förderziele werden nicht ausformuliert dargestellt. Wie auch insgesamt gilt, dass die jeweilige Formulierung der Ziele nur auf der semantischen Ebene betrachtet werden und in diesem Kontext keine „fachleitungstypischen“ Formulierungsgesichtspunkte erörtert werden. Hier soll insbesondere auf die individualisierten fachlichen Förderziele, deren Ableitung und deren Bedeutung und Hilfestellung zur Planung und Durchführung von sonderpädagogischem Unterricht mit einem möglichst hohen Maß an Adaptivität fokussiert werden.
In diesem Fall wählte Kollegin Latour eine Anlehnung an die die Variante Fachliche Akzentuierung ... durch methodische Immanenz sonderpädagogischer Förderung (vgl. Lang/Walbert 2021, S. 29) und stellte die klassische duale sonderpädagogische Unterrichtsplanung sonderpädagogischer Förderung in den klassischen Entwicklungsbereichen in den Hintergrund; im überfachlichen Bereich werden lediglich Lernbarrieren minimiert im Sinne einer kompensatorischen sonderpädagogischen Förderung, um SuS das Erreichen der Fachziele optimal zu ermöglichen.

Auszug aus der didaktischen Kommentierung

Traditionell ist insbesondere der Grammatikunterricht (GU) im Kompetenzbereich Sprache und Sprachgebrauch untersuchen verankert. Diese Akzentuierung ist im Wesentlichen auch nicht durch die kommunikative Wende um 1970 verloren gegangen. Trotz der Betonung  einer interessengeleiteten Kommunikation mit SuS und vielen neuen Ansätzen (bspw. den situativen Ansatz) sei der GU lediglich handlungsorientierter geworden, selten jedoch werde der GU verlassen und wirklich über Sprache reflektiert (vgl. Huneke/Steinig 2011, 163-170). Sprachbewusstheit ist die Fähigkeit, die sich in der bewussten Auseinandersetzung mit und über Sprache entwickelt, indem man über sprachliche Phänomene reflektiert, kommuniziert oder diskutiert. Sie befähigt zu einer differenzierten und kritischen Auseinandersetzung der eigenen und der fremden Sprachhandlung (Hohm 2005, 61-64). Die britische Forschung listet verschiedene Domänen der Sprachbewusstheit auf, darunter u.a. die kognitive und affektive. Ersteres sind Prozesse durch welche dem Individuum eine geistige Durchdringung des Systems Sprache ermöglicht wird; einschließlich ihrer Funktion und Verwendung, und letzteres betrifft die Einbettung der emotionalen Seite, das Entwickeln einer Neugierde und Entdeckerfreude sowie die Sensibilisierung für Reaktionen auf Sprache (vgl. Eichler/Nold 2011, 63-66). Im Sinne eines sozial-konstruktivistischen Lehr - Lernangebots sind beide Domänen unabdingbar, um eine Exploration und einen Wissenserwerb zu erreichen (Hanisch 2018, 20ff).

Der Zugang zu der Thematik erfolgt durch den Themenbereich, den Jugendliche im Bereich Sprache mit am meisten interessiert: Die Sprachentstehung (vgl. Huneke/Steinig, 2011, 181; Bremerich-Vos/Oomen-Welke, 2016, 222f). Der motivierende Ausgangspunkt ermöglicht einen positiven Einstieg zu weiteren sprachlichen Phänomenen: ‚Lust auf Sprache? Wir entdecken Sprache und denken über Sprache nach!‘

Die, im vorherigen Kapitel aufgelisteten, vielfältige Bereiche (Sprachwandeln, gesprochene Sprache, Rechtschreibung, Grammatik und sprachliche Gestaltungsmittel) versuchen die SuS „dort abzuholen, wo sie stehen“, indem verschiedene Interessensbereiche mit unterschiedlichen Schweregrade und eine Mannigfaltigkeit an Aufgabenformaten und Medien abgedeckt werden. Außerdem werden ‚Stolpersteine‘ genutzt, um das Interesse aufrechtzuerhalten oder zu wecken:

„Sprache erscheint uns wie Luft, die uns umgibt und die wir atmen. Wir denken selten über Luft oder Sprache nach. Nur wenn wir Probleme bekommen, beispielsweise ‚Atemnot‘ oder ‚Sprachnot‘ in einer Fremdsprache, oder wenn uns Sprach merkwürdig, witzig, gefährlich oder falsch erscheint, richten wir unsere Aufmerksamkeit auf sie.“ (Huneke/ Steinig 2011, 182f).

Die Integration verschiedenster Bereiche der Sprachrefelexion in der Unterrichtsreihe lässt sich durch das Stationenlernen realisieren. So kann je Station ein, in sich geschlossener, Bereich bearbeitet werden. Eine Möglichkeit das einheitliche Ziel der Förderung von Sprachbewusstheit für didaktische Zwecke aufzuschlüsseln bietet Ingendahl 1999, welcher den Verstehensprozess mit einem Problemlöseprozess gleichsetzt und ihn damit greifbarer macht. Die  Stufen nach Ingendahl 1999 werden hier genutzt, um den Lernweg zu mehr Sprachbewusstheit zu entschlüsseln. Da alle Stationen individuell sind, wird nicht zwangsläufig immer auf Stufe 4 hingearbeitet. Außerdem ist das Erreichen der unterschiedlichen Stufen je nach Station unterschiedlich schwierig:

1. Stufe: Problem erkennen
2. Stufe: Es in einem angemessenen Code repräsentieren
3. Stufe: Eine Lösung zu planen
4. Stufe: Eine Lösung herbeizuführen und zu bewerten

So ist, anhand der verschiedenen Aufgaben, die sich bestmöglich an den Stufen orientieren, eine prozessbegleitende Evaluierung des Kompetenzzuwachses realisierbar.

Durch die Einführungsstunden wurden alle SuS bereits zum Nachdenken über Sprache angeregt und diesbezüglich sensibilisiert. Zudem wurde bereits das Interesse der SuS geweckt. Vor der Unterrichtseinheit haben die SuS noch nie bewusst mit Sprache gearbeitet bzw. Sprache als Lerngegenstand wahrgenommen und über Sprache gesprochen oder nachgedacht.

Keiner der SuS weiß bereits bewusst, was ein Komposita ist, welche Genus-Besonderheiten es im Deutschen gibt (Station 4), welcher Einfluss das Englische und das Französische auf unsere Sprache hatte (Station 1), dass wir Mitteilungen unterschiedlich aufnehmen/ verstehen können (Station 2), was Metaphern sind bzw. wie man Sprache verbildlicht (Station 5) oder warum wir überhaupt eine Rechtschreibung haben (Station 4).

Alle SuS sollen im Zuge der Reihe erstmals überhaupt Sprachbewusstheit entwickeln, indem sie verschiedene Phänomene entdecken: Das Entdecken erfolgt durch die Arbeitsaufträge, welche sich an den o. g. Problemlöseschritten orientieren.

Um die kognitiven Anforderungen zu bewältigen und gezielt herauszufordern wurde die Methode des Stationenlernens zusätzlich mit der kooperativen Sozialform der Partnerarbeit gewählt. Der hohe Stellenwert von Kommunikation in einer Partnerarbeit, welcher in den Stationen explizit eingefordert wird und den SuS in Form von Regeln offengelegt wurde (Regeln der Partnerarbeit: ‚Ich teile meine Gedanken mit meinem Partner‘ und ‚Ich höre meinem Partner zu‘), dient der kognitiven Anregung, indem kognitive Konflikte durch die Gegenüberstellung verschiedener Meinungen entstehen, Diskurse zur vertieften Auseinandersetzung führen und vor allem Fragenstellen und Erklären die Möglichkeit zur Elaboration bieten (vgl. Kunter/ Trautwein 2013, 120f; 128). Die Kooperation unter Berücksichtigung der angeführten Regeln, stellt auch eine Bedingung für die SuS da, um eine individuelle Verantwortlichkeit sicherzustellen und dem sozialen Faulenzen entgegenzuwirken (vgl. ebd., 123). Die von der LAA gewählten Partnerkonstellationen ermöglichen den SuS die Beachtung der Regeln in einer angstfreien Lernumgebung, denn aufrichtiges Diskutieren und Kommunizieren funktioniert nur dann, wenn man sich wohl fühlt (vgl. Stein/Stein 2014, 87f).

Zu einer angstfreien Lernumgebung tragen ebenso die innere/ natürliche Differenzierung sowie die Tatsache, dass es nicht immer, aber sehr oft, keine falschen Antworten geben kann, bei. Die innere/ natürliche Differenzierung erfolgt durch verschiedene Maßnahmen. Zum einen gibt es keinen Zeitrahmen und von den fünf schwierigeren Wahlaufgaben, muss lediglich eine erarbeitet werden. Zum anderen bietet die Teamarbeit ein integriertes Helfersystem, indem immer ein leistungsschwächerer mit einem leistungsstärkeren Schüler arbeitet (vgl. Müller 2016, 132). Des Weiteren sind schwierigere Stationen mit externen Hilfsangeboten verknüpft (z.B.: Hilfe-Umschlag oder die explizite Aufforderung nach Hilfe zu fragen).

Einblick in die Herleitung sonderpädagogischer Maßnahmen bezogen auf vermutete Lernbarrieren hinsichtlich des Kompetenzniveaus kooperativer Fähigkeiten

In der gezeigten Unterrichtsreihe steht nicht die kompetenzaufbauende sonderpädagogische Förderung der Kooperationsfähigkeit oder Kommunikationsfähigkeit  im Vordergrund. Vielmehr  soll durch diese sonderpädagogischen Maßnahmen schwerpunktmäßig die Erlangung von Sprachbewusstheit unterstützt werden. Diese kompensatorische sonderpädagogische Förderung erfolgt angelehnt an die Variante „Fachliche Akzentuierung […] durch methodische Immanenz“ (Lang/Walbert 2021, S. 29). Um die kognitive Abstraktion der Lerninhalte zu bewältigen, wurde zum einen das Augenmerk der SuS bewusst auf die Wichtigkeit der Kommunikation gelenkt (transparente Partnerregeln) und zum anderen die Partnerkonstellation so gewählt, dass eine bestmögliche Kommunikation/ Kooperation erreicht werden kann, die das Lernziel unterstützt (vgl. Kunter/Trautwein 2013, 120). Die Partnerkonstellationen (Kooperationen) samt begleitender Unterstützungen im Sinne sonderpädagogischer Maßnahmen, stellen für die meisten SuS demnach hypothetisch keine Überforderung dar, sondern dienen als Unterstützung. Als Bezugssystem (im Sinne des sogenannten „Didaktischen Dreischritts“ als Schritt 1) wird das Lernfeld Kooperationsverhalten zur Erfassung der individuellen Lernvoraussetzungen genutzt (nach Schaefer 2003, siehe Abbildung 1), im zweiten Schritt werden hypothetische Annahmen über die individuellen Lernvoraussetzungen auf Grundlage dieses theoretischen Bezugssystems hergeleitet (der dritte Schritt erfolgt dann in der Formulierung von (hier kompensatorischen) Zielen im Sinne des Erreichens der Zone der proximalen Entwicklung):

M und J sowie D und G sind gut befreundet und in der gemeinsamen Arbeit erprobt, sodass sie problemlos die hohen Stufen der Kooperationsfähigkeit (verschiedene Kompetenzen bei der Zusammenarbeit berücksichtigen und Hilfe angemessen annehmen und geben), die maßgeblich über den Lernerfolg entscheiden, bewältigen können (vgl. Schaefer, Abbildung 1). M und D (Stufe 3 bzw. 2) sind die „schwächeren“ Schüler der Teams und können von ihren jeweiligen Partnern profitieren; die „stärkeren“ Schüler (Stufe 4 bzw. 3) profitieren jedoch gleichermaßen durch die Lernmethode des Erklärens (vgl. Mattes 2018, 48).

I und R kennen sich bereits vom letzten Schuljahr und verstehen sich gut. Sie haben in der letzten UE gezeigt, dass sie gut zusammenarbeiten können, sodass ihnen eine produktive Teamarbeit zugetraut wird. Rs Kompetenzen können noch nicht adäquat eingeschätzt werden. Es kann jedoch vermutet werden, dass R den leistungsstärkeren Part einnimmt (Stufe 3 bzw. 2).

S1 und S2 sind befreundet und können sich gegenseitig gut ergänzen. S1 ist leistungsschwächer (Stufe 3 bzw. 2) als S2 (Stufe 4 bzw. 3), durch ihre offene Art scheut sie sich jedoch nicht Verständnisprobleme zu offenbaren und nachzufragen. S2 ist aufgrund einiger aktuellen Schwierigkeiten und familiärer Probleme, sowohl in seiner Leistungsbereitschaft als auch Kooperationsfähigkeit zurzeit stark eingeschränkt. S1 ist in der Lage S2 zu motivieren, welches bei S2 oft von einer Stagnation zu einer ehrgeizigen Bearbeitung der Lerninhalte führt.

Mit S4 (Stufe 4 bzw. 3) wurde in einem Einzelgespräch vereinbart als Helfer für S3 (Stufe 2 bzw. 1) zu fungieren. Aufgrund von S4 guten schulischen Leistungen sowie seiner Sozialfähigkeit wird ihm zugetraut, S3 angemessene Hilfen zu geben und seine Kompetenzen bei der Zusammenarbeit zu berücksichtigen (vgl. Schaefer 2003). Auf der anderen Seite wird angenommen, dass S3 durch die lange Bekanntschaft mit S4 , bereit ist, seine Hilfen anzunehmen und sich mit S4 wohlfühlt. Für S4 stellt demnach die Kooperation eventuell eine Herausforderung dar – oder aber – sie bietet ihm die Chance seine sozialen Kompetenzen zu erweitern und unter Beweis zu stellen. Da das Erklären der Sachinhalte die kognitive Elaboration anregt, findet für ihn keine Vernachlässigung des eigentlichen Zieles statt (vgl. Kunter/Trautwein 2013, 128). Dahingegen besteht für S3 , durch die Erklärungen eines Gleichaltrigen, die Möglichkeit, ohne offensichtlicher Differenzierung, die zur Stigmatisierung führen könnte, am gemeinsamen Lerngegenstand zu arbeiten (vgl. Höfer/Steffens 2016, 106).

A kann aufgrund seines viertägigen Klassenaufenthalts nicht eingeschätzt werden. Er wird das Team von M und J erweitern, da angenommen werden kann, dass M und J sich am wenigsten von einem weiteren/ fremden Schüler verunsichern lassen und A wohlwollend aufnehmen.

Zur didaktischen Gestaltung der Stationen

Die Stationen werden kurz inhaltlich mit ihrem jeweiligen Schweregrad und ihren jeweiligen motivationalen oder komplexen Besonderheiten vorgestellt. Zudem werden die Aufgaben den jeweiligen Stufen des Problemlöseprozesses nach Ingendahl 1999 zugeordnet. In der Klasse sind fünf Pflichtstationen mit je drei Arbeitsblättern aufgebaut. Da alle Stationen Pflichtstationen sind, wurden sie nicht nach ihrem Schweregrad gekennzeichnet, um keine Angst/ Überforderung zu provozieren. Zu jeder Station gibt es ein bis zwei Zusatzaufgaben, diese müssen die SuS lediglich zu einer Station bearbeiten, alle anderen Zusatzaufgaben sind Wahlaufgaben (im Briefumschlag mit einem Sternchen gekennzeichnet).

Die erste StationSprachwandel – Denglisch‘ ist die leichteste Station, da der Problemaufriss ‚Denglisch – Dafür oder Dagegen?‘ durch einen kurzen Text beschrieben wird (Stufe 1: Ein Problem erkennen) und die Reproduktion des Problems (Stufe 2: Das Problem in einem angemessenen Code repräsentieren) dem Text direkt und vollständig entnommen werden kann. Die dritte Stufe, eine Lösung planen, beruht auf einer offenen Fragestellung, die individuelle und freie Lösungswege, zu einem aktuellen Werbespot erzeugt. Eine weitere offene Fragestellung in der Wahlaufgabe ermöglicht es die geplanten Lösungen mithilfe von weiterem Hintergrundwissen des Arbeitsblattes 3 (AB) zu bewerten (Stufe 4).

Die zweite Station ‚Miteinander sprechen – mehr als nur Wörter‘ verwirklicht den Bereich der gesprochenen Sprache und ist aufgrund ihrer komplexen Thematik als schwer einzustufen. Es wird explizit darauf hingewiesen, Hilfe bei den Lehrkräften einzufordern, falls notwendig. Aus diesem Grund bewegen sich die AB 1-3 nur auf den Stufen 1 und 2 mit halboffenen Aufgabenformaten. Stufe 3 kann, wenn von den SuS gewollt, mit der Wahlaufgabe erreicht werden. Die SuS werden dazu aufgefordert, sich über die Begriffe Mimik, Gestik, Tonfall und Wortwahl zu informieren und wenden die Wirkung dieser dann, an zwei exemplarischen Beispielen, an. Im weiteren Verlauf müssen sie einen Text über das ‚Vier-Ohren-Modell‘ von Schulz von Thun lesen und begreifen. Mit diesem Wissen sollen sie sich letztlich gegenseitig ‚ausprobieren‘. Die offene Wahlaufgabe erwartet von den SuS eine Antwort auf die Frage, wie mit ihrem neuerworbenen Wissen Streit und Missverständnisse vermieden werden können.

Station 3 ‚Rechtschreibung- Na und?‘ informiert die SuS über den Beschluss der einheitlichen Rechtschreibung 1901 und provoziert, mithilfe von zwei ‚Stolpersteinen‘, die Frage nach dem Sinn der Rechtschreibung. Die geschlossenen und offenen Aufgabenformate ermöglichen es den SuS auf den Stufen 1-3 zu arbeiten. Stufe 4 kann mittels einer offenen Fragestellung in der Wahlaufgabe erreicht werden. Der Schweregrad liegt zwischen Station 1 und 2. ‚Grammatik – kompliziert oder interessant?‘ ist der Titel der nächsten Station, welcher bereits auf den Schweregrad hinweist. Die SuS sollen anhand eines komplexen Textes (Differenzierungsangebot: Hilfe-Umschlag) zwei sprachliche Phänomene registrieren (Kompositionen und Genus) (Stufe 1). Ein darauffolgender Stolperstein versucht ihre Motivation zurückzuerlangen/ aufrechtzuerhalten. Mithilfe zweier Youtube-Videos werden ihnen dann die grammatikalischen Funktionen beider Phänomene erklärt. In geschlossenen bis halboffenen Aufgabenformaten müssen sie ihr Verständnis repräsentieren (Stufe 2). Die Wahlaufgabe ermöglicht auch hier das Erreichen der Stufe 3 durch eine offene Fragestellung.

Die letzte Station ‚Sprache lebt‘ versucht die SuS für sprachliche Gestaltungsmittel zu sensibilisieren. Die SuS werden dazu aufgefordert die Bedeutung verschiedener Wörter und Metaphern zu verstehen und zu erklären (halboffene Aufgabe auf Stufe 1). Anschließend identifizieren und beschreiben die SuS sprachliche Besonderheiten eines Liedes (Stufe 2). Mittels einer offenen Fragstellung werden sie dann in der Wahlaufgabe die Stufe 3 bzw. ggf. 4 erreichen können.

Die hypothetischen Annahmen über individuelle Lernvoraussetzungen bezogen auf die Unterrichtsinhalte

Handlungs- und Kommunikations-geschehen

Team: S3 und S4

Team: S1 und S2

Einstieg (Konzentration, Wissensaktivierung, Transparenz)

Beide sind in der Lage den Stundeneinstieg zu meistern.

Beide sind in der Lage den Stundeneinstieg zu meistern.

Hinführung

(Aufmerksamkeit, Konzentration, kognitive und motivationale Aktivierung)

Ggf. versteht S3 den Wortwitz nicht.

Konsequenz:

Die LAA lässt die Quintessenz von  SuS erläutern.

Beide sind in der Lage den Stundeneinstieg zu meistern.

Erarbeitung/ Stationenarbeit (Konzentration,  Kognition, Kommunikation, Kooperation, Hilfsbereitschaft, Sprachbewusstheit etc.)

S4 und S3 verfügen noch nicht über eine bewusste Sprachbewusstheit. S4 ist jedoch kognitiv in der Lage Phänomene zu verstehen, sie zu erklären und Transferaufgaben zu leisten. S3 fällt es noch schwer komplexe Sachverhalte nachzuvollziehen und sich über einen längeren Zeitraum zu konzentrieren.

Aufgrund dessen scheut er auch hin und wieder das erneute Nachfragen.

S3 schreibt sehr langsam.

S4 kann zielbezogen kooperieren und angemessene Hilfe geben.

Konsequenz:

Mit S4 wurde besprochen, dass er S3 zur Kommunikation auffordert, ihn mit einbezieht und versucht sein Wissenserwerb abzusichern. Außerdem wird er S3 immer wieder Hilfe anbieten. S4 schreibt für sich und S3 zusammen.

Frau X wird sich verstärkt S4 und S3 zuwenden, um eine Überforderung (sich über Inhalten in PA sprachlich austauschen) beiderseits zu vermeiden. So entscheidet sie ggf. auch, dass S4 zu höheren Aufgaben weiterziehen kann und S3 die leichteren Aufgaben wiederholen und sein Arbeitsblatt ausfüllen soll und ist ihm somit eine verständnisvolle Lernpartnerin.

S2 und S1 haben noch keine hohe Sprachbewusstheit. Sie kann kommunikativ mit Sprache „spielen“. Sie kennen beide jedoch kaum bewusst die Phänomene der Grammatik oder des mündlichen Sprachgebrauchs.

S2 ist kognitiv in der Lage bewusst über Sprache nachzudenken. Und könnte als kognitiv stärkerer Teampartner S1 helfen Transferaufgaben zu leisten. S1 bleibt oft noch im Bereich des Wiedergebens (Stufe 2).

S2 Kooperations-, Hilfs- und Leistungsbereitschaft  ist zurzeit stark tagesformabhängig. Er stagniert oft und ist ohne Unterstützung und Anleitung durch eine Lehrkraft nicht in der Lage, inhaltlich orientiert kooperativ zu arbeiten.

Konsequenz:

S1 ist in der Lage S2 zum Arbeiten zu motivieren.

Sollte S2 nach 7-8 Minuten noch nicht die Arbeit aufgenommen haben, wird die LAA mit S2 sprechen und ihm ggf. notwendige eine Auszeit gewähren. Nach einer kurzen Auszeit arbeitet er in der Regel weiter bzw. fängt an zu arbeiten.  S2 wird von einer Lehrkraft in der PA-Phase eng beobachtet und durch Ansprache, Motivation und physischer Nähe, wenn nötig, begleitet und in Form eines Check-In-Gesprächs vorab informiert.

Ergebnissicherung/ Abschluss

(Konzentration, Reflexionsfähigkeit)

Beide sind in der Lage die Ergebnissicherung zu meistern.

Beide sind in der Lage die Ergebnissicherung zu meistern.

 

Ziele der Reihe

Die SuS können …

… den Einfluss fremder Sprachen auf das Deutsche erkennen, verschiedene Sichtweisen diesbezüglich erklären können und das Phänomen ggf. in Beziehung zum Sprachwandel bringen und bewerten.

… den komplexen Zusammenhang zwischen Sprecher und Zuhörer identifizieren und beschreiben können und ggf. eine Beziehung/ Lösung bezüglich Missverständnissen und Streit herstellen.

… die Notwendigkeit der einheitlichen Rechtschreibung von 1901 erkennen, jenes anhand von Beispielen erklären und schlussfolgern und ggf. unsere Gesellschaft ohne Rechtschreibregeln bewerten.

… zwei exemplarisch bedeutsame grammatikalische Phänomene (Komposita und Genus) erkennen und diese anhand von Beispielen erklären und ggf. ihre Funktion herstellen.

… auf sprachliche Gestaltungsmittel aufmerksam werden, ihre Funktion mittels Beispielen erklären, ggf. eine Beziehung zum Inhalt herstellen und diese bewerten.

… zunehmend eine Sprachbewusstheit ausbilden, indem sie sich kognitiv und kommunikativ mit den Themen auseinandersetzen.


Fachziel(e):

Die SuS entwickeln eine Sprachbewusstheit, indem sie sprachliche Phänomene identifizieren (Stufe 1) – über sie nachdenken und sich austauschen – und sie dann anhand von Beispielen beschreiben (Stufe 2) sowie ggf. eine Beziehung zu ihrer jeweiligen Funktion herstellen (Stufe 3) und diese ggf. bewerten (Stufe 4).

Individualisierte fachbezogene Förderziele:

S3 entwickelt eine Sprachbewusstheit, indem er sprachliche Phänomene identifiziert – über sie nachdenkt und sich austauscht – und sie dann ggf. anhand von Beispielen beschreibt.

I, S1, M, D und R entwickeln eine Sprachbewusstheit, indem sie sprachliche Phänomene identifizieren – über sie nachdenken und sich austauschen – und sie dann anhand von Beispielen beschreiben sowie ggf. eine Beziehung zu ihrer jeweiligen Funktion herstellen.

S4, S2, J und G entwickeln eine Sprachbewusstheit, indem sie sprachliche Phänomene identifizieren – über sie nachdenken und sich austauschen – und sie dann anhand von Beispielen beschreiben sowie eine Beziehung zu ihrer jeweiligen Funktion herstellen und diese ggf. bewerten.

Individualisierte fachübergreifende Förderziele (kompensatorische Intendierung, mehr im Sinne sonderpädagogischer Maßnahmen)

S4 und S3 tauschen sich sprachlich über Unterrichtsinhalte miteinander aus, sie bekommen hierbei Unterstützung durch eine Lehrkraft.

S2 tauscht sich sprachlich über Unterrichtshalte mit einer ihm sympathischen Mitschülerin (S1) aus und erhält Unterstützung durch eine Lehrkraft.

Beispielhafte Arbeitsaufträge der o. g. Stationen



Literatur, soweit nicht im Text benannt

Bremerich-Vos, Albert/ Oomen-Welke, Ingelore (2016): Sprache und Sprachgebraucuntersuchen. In: Behrens, Ulrike/ Böhme, Katrin/ Bremerich-Vos, Albert/ Hunger, Susanne/ Krelle, Michael (2016): Bildungsstandards Deutsch: konkret. Sekundarstufe 1: Aufgabenbeispiele, Unterrichtsanregungen, Fortbildungsideen. Berlin: Cornelsen,        215-246
Eichler, Wolfgang/ Nold, Günter (2007): Sprachbewusstheit. In: Beck, Bärbel/ Klieme,
Eckhard (2007): Sprachliche Kompetenzen. Konzepte und Messung. DESI-Studie (Deutsch Englisch Schülerleistungen National). Weinheim u.a.: Beltz, 63-82
Hanisch, Anna-Katharina (2018): Kognitive Aktivierung im Rechtschreibunterricht-Eine Interventionsstudie in der Grundschule. Waxmann Verlag
Höfer, Dieter/ Steffens, Ulrich (2016): Lernen nach Hattie-Wie gelingt guter Unterricht? Weinheim/ Basel: Beltz Verlag
Hohm, Michael (2005): Zum Zusammenhang von Sprachbewusstheit, Lesekompetenz und Textverstehen – Historische, fachdidaktische und unterrichtspraktische Aspekte der Problematik. Würzburg: Dissertation
Huneke, Hans-Werner/ Steinig, Wolfgang (2011): Sprachdidaktik Deutsch: Eine Einführung. 4. Neu bearb. und erw. Aufl. Berlin: Erich Schmidt Verlag
Ingendahl, Werner (1999): Sprachreflexion statt Grammatik. Ein didaktisches Konzept für alle Schulstufen. Tübingen: Max Niemeyer Verlag
Kunter, Mareike/Trautwein, Ulrich (2013): Psychologie des Unterrichts. Pderborn: Ferdinand Schöningh
Lang, A. und Walbert, G. (2021): Variable sonderpädagogische Unterrichtsplanung – neue Impulse der sonderpädagogischen Unterrichtsplanung in der Fachrichtung Emotionale und soziale Entwicklung. In: Zeitschrift für Heilpädagogik, Ausgabe 1, 2021, S. 23-33
Müller, Frank (2006): Selbstständigkeit fördern und fordern-Handlungsorientierte und praxiserprobte Methoden für alle Schularten und Schulstufen. 5. Aufl. Weinheim/   Basel: Beltz Verlag
Schaefer (2003): Lernfeld Kooperationsfähigkeit. Unter: http://www.schaefer5.de/lernstruktur-zum-lernfeld-selbststaendigkeit/, Stand: 20.05.2019
Stein, Roland/ Stein, Alexandra (2014): Unterricht bei Verhaltensstörungen. Ein integratives didaktisches Modell. 2. Überarb. und akt. Auflage. Bad Heilbrunn: Klinkhardt


Station 1 Denglisch in der Werbung: https://www.youtube.com/watch?v=2HvH- , nicht mehr verfügbar

Station 4 Komposita https://www.youtube.com/watch?v=ZFOjwaeDfSA , Stand: 04.01.2021

Genus https://www.youtube.com/watch?v=jmP2w-Qa_LE , Stand: 04.01.2021

 

Allgemeiner Hinweis zu den Auszügen aus Unterrichtsplanungen

Alle Auszüge aus den schriftlichen Planungen auf www.dasistes.info entstanden im Ausbildungskontext. Es werden einerseits nur in einen neuen Kontext gesetzte Auszüge aus Planungen veröffentlicht, wozu sie von mir teilweise ergänzt und angepasst wurden. Andererseits wurden sie absichtlich nicht aus meiner Rolle als Seminarausbilder heraus hinsichtlich ihrer fachlichen Qualität optimiert. Sie dienen lediglich im Zuge dieser Veröffentlichung als konkrete praktische Beispiele, wie variantenreich und variabel sonderpädagogische Unterrichtsplanungen verfasst werden können.

 

Hinweis zur Nutzung des Artikels

Dieser Text ist lizensiert unter einer Creative Commons Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen. Bei Nutzung, auch von Auszügen, ist eine Autorennennung mit Quellenangabe nötig. www.dasistes.info, Alexander Lang 2019

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