Variable sonderpädagogische Unterrichtsplanungen IV - Förderziel als Fachziel

von Alexander Lang

...Aktualisierungen zum Ursprungsartikel in der Zeitschrift für Heilpädagogik finden sich hier.

Eine mir aus meiner eigenen ES Alltags-Unterrichtspraxis vertraute Variante sonderpädagogischer Unterrichtsplanung ist, dass das Förderziel zum Fachziel wird. Sowohl im Sek I-Bereich als auch in der Primarstufe führte ich verschiedene Trainingsprogramme, z. B. Fit for Life oder Lubo aus dem All, durch.

Im Gegensatz dazu sehe ich als ES Fachleitung so gut wie nie Unterrichtsstunden, die auf Trainingsprogrammen zur Prävention vor allem im Bereich Sozialverhalten, Umgang mit aggressivem Verhalten, Verbesserung der Emotionsregulation oder allgemein den Erwerb sozialer und emotionaler Kompetenzen abzielen.

Woran liegt das? Und wie ist ein solches Trainingsprogramm aufgebaut? Wie sehen Fachziele aus, wenn (überfachliche) Förderziele zu Fachzielen werden?

Woran liegt das?

Ich vermute, dass der besondere Kontext Ausbildungsunterricht/ Unterrichtsbesuch und die damit einhergehenden Erwartungen (beiderseits, Auszubildende*r und Fachleitung), Vorgaben und Erfordernisse verhindern, dass bereits fertig geplante und zudem sehr allgemein gehaltene Unterrichtsstunden von Trainingsprogrammen zusammen genommen verhindern, dass Fachleitungen sie sehen.

Erwartungen, Vorgaben und Erfordernisse sind zum Beispiel, dass die Unterrichtsstunden von Lehrkräften selbst geplant werden müssen und es dementsprechend schwierig ist, auf von Dritten bereits vorgeplante fertige Planungen zurück zu greifen. Lehramtsanwärter*innen erwarten für ihre Durchführung und Planung von Unterrichtsstunden selbstverständlich bewertende Rückmeldungen und bringen den Anspruch mit, dass die eigenen Ideen Gegenstand dessen sind. Aus (ES) sonderpädagogischer Sicht ist es zudem erforderlich, ein stark individualisiertes Lehr-Lernangebot zu gestalten, welches in hohem Maße von den individuellen Lernvoraussetzungen der Schülerinnen und Schüler abhängig ist. Fertig geplante Trainingsmodule können dies bezogen auf die jeweilige Lerngruppe natürlich nicht leisten. Letzteres kenne ich aus eigener Erfahrung: viele vorgeplante Unterrichtsmodule aus Trainingsprogrammen musste ich mehr oder weniger modifizieren, damit meine Schülerinnen und Schüler erfolgreich partizipieren konnten. Als sonderpädagogische Fachleitung sehe ich übrigens noch seltener (nämlich bisher noch nie, Stand heute mit 5jähriger Erfahrung in dieser Funktion!) Unterricht mit Schulbüchern. Auch hier kann ich aus eigener Erfahrung  sprechen, dass die Zielgruppe Schüler*innen mit Förderbedarf für Schulbuchverlage vermutlich nicht attraktiv ist, denn nur sehr wenige Arbeitsaufträge oder selbst Sachtexte konnte/kann ich ohne Modifikationen einsetzen.

Abschließend lässt sich noch feststellen, dass Unterrichtsbesuche von Fachleitungen natürlich im Kontext Schule immer unterrichtsfachbezogen sind und es das Fach „Soziales Lernen“ (leider) nicht gibt und der Einsatz „überfachlicher“ Inhalte (also nicht im klassischen akademischen Fächerlehrplan verankert) sich teilweise schwierig gestaltet (wenn auch in vielen Fachdidaktiken der Erwerb oder die Förderung dieser emotionalen und sozialen Kompetenzen teilweise indendiert wird und der Erwerb ebendieser Kompetenzen zum Beispiel auch als Querschnittsaufgabe von Schule in den Schulgesetzen, KMK Empfehlungen niedergelegt ist,  nachzulesen in diesem Text der Profres Hövel, Hennemann und Casale, 2014, S. 52ff).

Und wie ist ein solches Trainingsprogramm aufgebaut?

Über den Aufbau und die theoretische Fundierung von dieser Art Trainingsprogrammen gibt zum Beispiel die Dissertation von Dr. Sonja Hens einen sehr breiten Überblick.

Welche Trainingsprogramme gibt es denn überhaupt, die für den Einsatz im ES Bereich geeignet erscheinen? Und wann ist der Einsatz angezeigt?

In „Variable sonderpädagogische Unterrichtsplanung (...)“ stellen mein Kollege Walbert und ich thesenartig ein Phasenmodell des Prozesses sonderpädagogischer Förderung vor (vgl. Lang/Walbert 2021, S. 27). Wir leiten folgende drei Phasen (mit fließenden Übergängen) der Reattribuierung von Schule (Phase 1), der Initiierung von Veränderungsprozessen (Phase 2) und der zweigeteilten, von Stagnations- (A) oder vertiefenden Veränderungsprozessen (B) gekennzeichneten Phase 3 hypothetisch aus unserer praktischen Berufserfahrung ab. Wir ermöglichen hierdurch einen Art Metaebene im Unterrichts-Planungsprozess, denn mit Hilfe dieser Phasen kann individuell hergeleitet werden, welche Variante sonderpädagogischer Förderung sinnvoll erscheint und der aktuellen Lern- und Lebenssituation der Schüler*innen am besten entsprechen kann.

Von Trainingsprogrammen, in denen quasi aus ES Sicht Förderziele zu Fachzielen werden, können insbesondere Schüler*innen in Phase 3 A oder auch in Phase 1 profitieren. In Phase 3 A erscheinen sie aus meiner Erfahrung heraus möglicherweise sogar die einzige Möglichkeit, Schüler*innen überhaupt noch ein schulisches und unterrichtsähnliches Angebot machen zu können.

An dieser Stelle möchte ich keine Empfehlungen aussprechen. Es gibt nämlich viel geeignetere Ratgeber, die konsultiert werden können:

Die drei genannten Professoren veröffentlichten unterschiedliche Übersichten hierzu, beispielsweise im Buch Schulische Prävention im Bereich Verhalten ab S. 98ff.

Zudem gibt es die Seite https://www.gruene-liste-praevention.de/nano.cms/datenbank/alle

Dort befindet sich eine sehr umfassende Übersicht vieler Trainingsprogramme, zudem werden die einzelnen Programme hinsichtlich ihrer Evidenz eingeordnet.

Sehr bekannt im ES Primarbereich ist u. a. Lubo aus dem All, welches in der o.g. Dissertation auf seine Wirksamkeit hin überprüft wird.

Wie sehen Fachziele aus, wenn (überfachliche) Förderziele zu Fachzielen werden?

In der Dissertation wird nicht nur das gesamte Lubo aus dem All Training vorgestellt, es werden darüber hinaus auch alle verfolgten Förderziele und Förderbereiche dargelegt. Auf diese formulierten formulierten Förderziele sei verwiesen. Weiter oben führte ich ja bereits aus, dass ich aus den dargelegten Gründen hier keine Auszüge aus meiner eigenen Praxis vorstellen kann, da sie schlicht (bisher) nicht existieren. Auch wenn diese Variante (Förderziel als Fachziel, vgl. Lang/Walbert 2021, S. 29) im Kontext Ausbildung keine größere Bedeutung zukommt, hat sie meiner Erfahrung nach zumindest im ES Arbeitsalltag durchaus eine gewisse Relevanz.


Literatur, soweit nicht im Text belegt

Lang, A. und Walbert, G. (2021): Variable sonderpädagogische Unterrichtsplanung – neue Impulse der sonderpädagogischen Unterrichtsplanung in der Fachrichtung Emotionale und soziale Entwicklung. In: Zeitschrift für Heilpädagogik, Ausgabe 1, 2021, S. 23-33

 

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